Bachstrasse 12
96163 Gundelsheim
BAUHERR: Gemeinde Gundelsheim
ARCHITEKTEN: Schlicht Lamprecht Architekten, Schweinfurt
FERTIGSTELLUNG: 2020 KONSTRUKTION: Holzbauweise (Neubauten)
PRESSEANFRAGEN
Cornelia Hellstern E post@corneliahellstern.de T 0179 / 2086117
GEMEINDE GUNDELSHEIM
Madeleine Scholz / Städtebauförderung
E scholz@gemeinde-gundelsheim.de
T 0951/94444-21
Bianca Röber-Suchetzki / Büchereileitung
E roeber-suchetzki@ gemeinde-gundelsheim.de
T 0951 / 70049300
Im oberfränkischen Gundelsheim belebt seit dem Spätsommer 2020 die neue Bücherei die Ortsmitte: Aus einem ortstypischen Bauernhaus mit Stall aus dem 19. Jahrhundert ist durch Umbau und einen Neubau ein vielseitiges Zentrum für die Gemeinde entstanden.
Denn nicht nur eine Medienausleihe, sondern einen Ort der Begegnung und Weiterbildung, »einen Kulturort und eine Integrationsschmiede« zu schaffen, war der Wunsch des Bürgermeisters Jonas Merzbacher für die Bücherei. Mit zeitgemäßer Architektur, die sich gleichsam in die gegebene Stadtgestalt einfügt. Mit Schlicht Lamprecht Architekten gewann ein in der Region ansässiges Büro den Wettbewerb, das den Anspruch verfolgt, die bestehenden Strukturen sichtbar zu lassen und neue Nutzungen mit zeitlosen aber zeitgemäßen Materialien, wie hier dem Holzbau, einzufügen. Die »Haus im Haus« Idee verwebt dabei mit spannenden Raumbezügen alte und neue Elemente.
Die Bücherei ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass baukultureller Anspruch und die Umsetzung qualitativ hochwertiger Architektur auch jenseits der Ballungszentren möglich sind. Darüber hinaus steht die Gemeinde Gundelsheim mit der Entscheidung zum Ideen- und Realisierungswettbewerb als Einladungswettbewerb beispielhaft dafür, kleineren und jüngeren Architekturbüros im Rahmen der immer komplexer werdenden Verfahren eine Chance zu geben, Bauaufgaben zu realisieren und die nötige Erfahrung in der Praxis zu sammeln.
Nicht nur als ein gelungenes Architekturprojekt, sondern auch auf der Ebene der Entscheidungsträger soll das Projekt motivieren, inspirieren und zur Nachahmung anregen. Die Bücherei Gundelsheim ist ein »Best Practice« für die Innenentwicklung und baukulturelle Qualität im ländlichen Raum. Und für die Nutzer in Gundelsheim und in der Region ein neuer Treffpunkt und Ort der Begegnung.
Für die neue Bücherei sollte das ortsbildprägende Bauernhaus mit Stall aus dem 19. Jahrhundert saniert sowie in den Um- und Neubau miteinbezogen werden.
Giebelständig an der Bachstraße und damit in unmittelbarer Nähe zum Leitenbach und dem Ortskern auf der nördlichen Uferseite, reiht sich das historische Gebäude in die Nachbarbebauung ein. Mit ihrem Entwurf für den Neubau der Bücherei gelingt es Schlicht Lamprecht Architekten, auf behutsame Weise die Maßstäblichkeit und Körnung des Ortbildes aufzugreifen und wie selbstverständlich fortzuschreiben.
Die Bestandsbauten riefen bei den Architekten den »vertrauten Dreiklang eines typisch fränkischen Bauernhauses, Haus – Stall – Scheune« hervor. Da die Scheune nicht mehr existierte, entschieden sie, diese historische dreiteilige Struktur durch einen Neubau wiederherzustellen. Dabei entfernten sie sich allerdings von der üblichen Abfolge hintereinander liegender Gebäude zugunsten eines Doppelgiebelbaus parallel zum ehemaligen Wohnhaus. Zum einen, um auf der rückseitigen Fläche des Bauplatzes ausreichend Raum für Wohnbebauung zu erhalten, die hier im Rahmen der Nachverdichtung angedacht ist. Zum anderen wird dem zur Straße liegenden Platz durch diese Anordnung des Ensembles ein räumlicher Bezug gegeben und der Eingang in die Bücherei akzentuiert.
Der neue Doppelgiebelbau »schiebt« sich gleichsam über den alten Stall, der Ausgangspunkt für das »Haus in Haus«-Thema, das sich als roter Faden durch den Entwurf zieht – gestalterisch wie konstruktiv. Auf der Fläche des eingeschossigen und ebenerdigen Baus ergeben sich dadurch immer wieder unterschiedliche spannende Raumeindrücke und neue räumliche Qualitäten.
Die Bücherei erreicht man von der Bachstraße kommend barrierefrei über die »neue Scheune«. Die großen Eingangstüren in beiden Giebelfassaden erinnern bereits an die typische fränkische Scheune mit ihrem hohen Mittelteil und den Toren zur Durchfahrt. Auch das niedrige »Seitenschiff« entlang der Längsfassade – hier für den Servicebereich der Bücherei – ist eine Reminiszenz an die traditionelle Gebäudestruktur, an der Fassade nun durch die Verdichtung der Lamellenverkleidung als »kleines Haus« ablesbar.
Daran angrenzend liegt der alte Stall, unter dessen Preußischer Kappendecke die Literaten auf die Lesenden warten. Die Decke ist nicht ganz geschlossen, um sowohl Konstruktion als auch durch visuelle Beziehungen den Haus-im-Haus-Eindruck erlebbar zu halten. Auf der Decke befindet sich eine Galerie, die einzige zweite Ebene im Gebäude und als Rückzugsmöglichkeit für die Jugendlichen gedacht, ebenso zum konzentrierten Arbeiten.
Vom alten Stall aus führt der Weg in das ehemalige Wohnhaus. Raumbestimmend ist das »Haus im Haus«, das die jüngsten BesucherInnen empfängt. Hier übernimmt das Volumen auch eine tragende Funktion: die Stahlrahmenkonstruktion wirkt als ein aussteifender Kern im Bestandsgebäude. Die für diese Häuser typische kabinettartige Raumstruktur konnte nicht erhalten werden, dafür definiert nun das an den Kinderbuchbereich angrenzende Lesecafé als leeres Volumen um so stärker den Raumeindruck. Sämtliches Mobiliar in allen Bereichen ist beweglich, um flexible Nutzungen der Räume zuzulassen – von Versammlungen, Lesungen bis hin zum Bilderbuchkino.
Es ist ein Spiel mit Gewohnheit und Vertrautheit von Raumabfolgen und Strukturen, mit dem die Architekten die NutzerInnen empfangen. Bereits an der Fassade der Scheune greifen sie auf vorhandene Proportionen zurück: der Rhythmus der Holzlattung orientiert sich an der Kreuzteilung der Fenster des Wohnhauses.
Authentische und natürliche Materialien bestimmen das Innere: Die Farben des Terrazzobodens erinnern an einen einfachen Nutzboden, an Stampflehmboden. Gebürstete Fichtenholzoberflächen an rohes Holz. Geschlämmte Wände im Stall geben ein vertrautes Bild. Ohne die hohe handwerkliche Fertigkeit und Begeisterung der Beteiligten wäre die Qualität in der Ausführung so nicht möglich gewesen, betonen die Architekten. Das Gleiche gilt für das Dach, dem man weder die Edelstahlhaut noch die Komplexität und hochtechnischen Anforderungen ansieht.
Für die Fassade der Scheune kam für die Architekten allerdings nur ein Material in Frage: naturbelassenes Holz, das hierfür aber thermisch vorbehandelt ist. Dessen Vorvergrauung unterstreicht das Selbstverständnis, mit dem dieser Bau sich hier eingliedert.
Als wäre die Bücherei schon lange ein Bestandteil des Ortes.
Zahlreiche Veranstaltungen, 7.000 ausleihbare Medien – mit Unterstützung des Sankt Michaelsbund kuratiert – in einer vielfältigen Sprachauswahl, digitale Angebote und die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen heißen seit Sommer 2020 die unterschiedlichsten Nutzergruppen im Ort und aus der Region willkommen. Integration und das Verständnis der Gemeinde als »Mehrgenerationenort« sind hier nicht nur Konzept. Sie werden in Gundelsheim tatsächlich auch gelebt.
Als Gemeinde mit rund 3.600 Bürgern liegt Gundeslheim am Leitenbach wenige Kilometer nordöstlich von Bamberg. Die Geschichte des Ortes reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück, aber erst im 20. Jahrhundert wandelte sich das ärmliche Bauerndorf in Oberfranken zum Arbeiterdorf und zur Wohngemeinde.
Seit über zehn Jahren ist die Gemeinde Gundelsheim inzwischen über die Städtebauförderungsprogramme aktiv. Es ist hierbei vor allem das Engagement des Bürgermeisters Jonas Merzbacher, dem es an einer ganzheitlichen – städtebaulichen wie sozialen – Planung des Ortes gelegen ist, von Beginn an unter Einbindung der Bürger und mit einem hohen architektonischen Anspruch.
Die neue Bücherei ist daher auch keine Einzelmaßnahme, die für baukulturelle Qualität im ländlichen Raum steht, sondern ein Baustein in einem größeren Kontext der Innenentwicklung: 2011 wurde im Zuge der Neugestaltung des historischen Ortskerns die Hauptstraße ausgebaut, das Alte Rathaus saniert und um ein Generationenbüro erweitert. Vor allem aber wurde ein Dorfplatz neben der Markuskirche angelegt, neue Bezüge entstanden durch die Versetzung des Kircheneingangs von der Nord- auf die Westseite zum Platz hin, ebenso durch Treppen hinunter zum Leitenbach.
Zur Bildung einer neuen Ortsmitte – in Verbindung zum südlich des Bachs gelegenen Ortsteil – entsteht derzeit an der Hauptstraße 7/9 das »Integrationshaus Gundelsheim« von Muck Petzet Architekten (Fertigstellung 2021): Ein ehemaliger Verkaufsraum wandelt sich zu einem Gebäude mit Café und Multifunktionsraum für die Bürger. Der syrische Koch im Ort wird mit seiner Familie hier arbeiten und leben. Zudem ist 2021 ein Wettbewerb der Neugestaltung des Fußgängerwegs über den Leitenbach geplant. Mehr als nur eine einfache Brücke soll ein Begegnungsort entstehen, der die Verbindung vom Integrationshaus über den Dorfplatz hin zur neuen Bücherei sichtbar werden lässt.
THEMEN DES PROJEKTS Bauen im ländlichen Raum • Innenentwicklung • Leerstand • Städtebauförderung • Vergabeverfahren / Wettbewerbswesen • Bauen im Bestand • Holzbau • Architektur für Kinder und Jugendliche • Flexibles Nutzungskonzept • Wandelbares Mobiliar • Bücherei als Begegnungsort
Bilder können honorarfrei unter Angabe des Copyrights für Print und digital verwendet werden; bei Interesse an weiteren Bildern bitte den Fotografen kontaktieren: mail@stefanmeyer-architekturfotografie.de
DOWNLOAD BILDMATERIAL https://gemeinde-gundelsheim.box.bayern.de/s/kUQsfChYDSTn8rU PASSWORT Oktober2020!
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